Das Netzteil stellt einen der schwierigsten Punkte bei der Zusammenstellung eines eigenen PCs dar. Der Markt ist groß, Auswahl und Preisunterschiede teilweise riesig und die Gründe dafür für den Laien kaum durchschaubar. Bei Fertig-PCs oder schlechten Zusammenstellungen wird oft gerade am Netzteil gespart und minderwertige Geräte verbaut. Hier werden dagegen prinzipiell nur hochwertige Geräte empfohlen. Weshalb diese besser sind und worauf ihr achten müsst, klärt hoffentlich der folgende Artikel.
Was tut das Netzteil?
Das Netzteil sorgt dafür, dass eure Komponenten Strom bekommen. Dazu wandelt es den Strom aus der Steckdose um. Zunächst von Wechselstrom nach Gleichstrom und dann in 3 verschiedene Spannungen. Diese Spannungen sind 12V, 5V und 3,3V. Die Elemente auf den Komponenten benötigen allerdings meist vollkommen andere Spannungen und besitzen daher eigene Hardware, um diese 3 Basisspannungen in wieder andere Spannungen zu wandeln. Dennoch ist es wichtig, dass das Netzteil Spannungen möglichst stabil, also mit möglichst kleinen Schwankungen, und zuverlässig zur Verfügung stellt. Schlechte, also stark schwankende Spannungen können zu Instabilität führen und die Lebensdauert eurer Komponenten verkürzen. Wie gut das Netzteil darin ist, hängt von der Qualität der internen Elektronik ab. Das ist jedoch etwas, worüber man ohne das Lesen ausführlicher Tests nichts erfährt und womit man selbst dann ohne bestimmte Vorkenntnisse nicht viel anfangen kann.
Über die Qualität von Netzteilen kann man leider auch keine pauschalen Aussagen fällen. So kann man auch keinen Hersteller pauschal empfehlen und muss die verfügbaren Modelle einzeln betrachten. Außerdem gibt es viele Hersteller, die gar nicht wirklich selbst produzieren, sondern nur Designs der großen Hersteller kaufen oder ihre eigenen Designs von diesen produzieren lassen. Solche großen Netzteil-Fertiger sind z.B. Delta, Seasonic, FSP, Super Flower.
Sehr (sehr sehr) unwissende Nutzer kommen manchmal auf die Idee, dass mehr Watt mehr System-Leistung bringen. Das ist (grober) Unfug. Das Netzteil liefert nur die elektrische Leistung, die die Komponenten benötigen. Benötigen diese weniger Watt, als das Netzteil liefern könnte, liefert das Netzteil einfach weniger. Die Watt-Angabe gibt die maximale kontinuierliche Leistungsabgabe an, auch wenn gerade bei minderwertigen Netzteilen hier sehr oft nicht gehalten wird, was versprochen wurde.
Die zunächst wichtigste Funktion eines Netzteils sind jedoch die Schutzschaltungen. Ein Netzteil, das unzureichende oder nicht funktionierende Schutzschaltungen besitzt, ist kategorisch nicht zu empfehlen. Mehr zu den Schutzschaltungen findet ihr im nächsten Abschnitt.
Schutzschaltungen
Das Pflichtprogramm eines Netzteils sind die Schutzschaltungen. Problem dabei ist, dass es gar nicht einmal selten vor kommt, dass Hersteller eine Schutzschaltung angeben, die gar nicht vorhanden ist, oder so schlecht funktioniert, dass sie Praktisch unbrauchbar ist. Von den gängigen Schutzschaltungen sollten alle vorhanden sein und gut funktionieren. Je nach Einsatzzweck gibt es ein paar Ausnahmen, wo auf die eine odere andere Schutzschaltung verzichtet werden kann. Dies sollte aber nur getan werden, wenn Budget oder andere dringende Gründe es unbedingt erforderlich machen.
Die üblichen Schutzschaltungen sind:
- OVP und UVP - (over und under voltage protection) Sie schützen vor zu hohen oder zu niedrigen Spannungen (Volt).
- SCP - (short circuit protection) Die Kurzschluss-Sicherung schützt vor Kurzschlüssen und schaltet das Netzteil ab.
- OPP - (over power protection) Der Überlastschutz schaltet das Netzteil ab, wenn die an die Komponenten abgegebene Leistung den für das Netzteil vorgesehenen Wert überschreitet.
- OCP - (over current protection) Zum Schutz vor zu hohen Stromstärken (Ampere) kannn der Überstromschutz das Netzteil ausschalten. Hier gibt es zwei wichtige Prinzipien:
- single rail - Hier wird die wichtige 12V-Schiene komplett mit einer Sicherung abgesichert.
- multi rail - Hier wird hingegen die 12V-Schiene in mehrere Schienen aufgeteilt und diese einzeln abgesichert.
- OTP - (over temperature protection) Wenn das Netzteil eine zu hohe Temperatur feststellt, schaltet der Überhitzungsschutz es ab.
SCP kann nur Kurzschlüsse mit einem Widerstand erkennen, der deutlich niedriger ist als der Widerstand beim normalen Betrieb. Bei einem höherem Widerstand ist es für das Netzteil daher schwer zu erkennen, ob das zum normalen Betrieb gehört oder ein Kurschluss vorliegt. Wird ein solcher Kurzschluss dann nicht erkannt, so fließt immer mehr Strom und es kann zu Schäden und sogar Bränden kommen. Davon abgesehen ist die Komponente, die den Kurzschluss produziert hat im Normalfall natürlich bereits zerstört, denn sie war es, deren Defekt das Problem ausgelöst hat. Um zu verhindern, dass durch das unkontrollierte fließen von Strom dann weitere Schäden auftreten, gibt OCP. Erkennt dieser, dass zu viel Strom fließt, schaltet er ab. Theoretisch kann auf der 12V-Schiene auch die OPP dies verhindern, da 12V*zu viel Ampere recht schnell die Gesamtleistung (Watt) des Netzteils übersteigen können. Mit OCP kann jedoch schneller eingreifen und genauer konfiguriert werden. Außerdem würde eine Abschaltung nur über die OPP auf den 3,3V- und 5V-Schienen viel zu hohe Stromstärken zulassen, bevor abgeschaltet wird.
Bei der Umsetzung der OCP unterscheiden sich die Netzteile teils deutlich. Eigentlich ist multi rail der eindeutig bessere Ansatz, da er eine höhere Sicherheit bietet. Am europäischen Markt wird dies auch überwiegend so gesehen. Viele Netzteilhersteller entwickeln ihre Produkte jedoch leider nicht für den europäischen, sondern für den amerikanischen Markt. Gerade dort gilt single rail als bevorzugtes Feature. Denn bei einem Netzteil mit multi rail, kann man nicht die gesamte Leistung des Netzteils über eine Schiene beziehen. Ist also das Netzteil bezüglich seiner Anschlüsse und den zugeordneten rails so entworfen, dass es möglich ist, die Last der Komponenten schlecht auf die vorhandenen rails zu verteilen, dann kann z.B. ein Netzteil mit 500W, dessen 4 12V-Schienen mit je 18A abgesichert sind, schon bei einer Belastung von 12V*18A = 216W abschalten. Bei einem sinnvoll entworfenen Netzteil kann dies allerdings meist schon durch die Steckerzuordnung am Netzteil vermieden werden und braucht beim Zusammenbau nicht berücksichtig werden. Selbst wenn es nicht ganz ausgeschlossen werden konnte, kann ein Blick ins Handbuch zeigen, wie man was anschließen sollte und selbst wenn man es falsch macht, passiert es höchstens, dass der Rechner unter Last aus geht und man ihn noch einmal öffnen und 1-2 Stecker umstecken muss. Dafür hat man dann aber für die restliche Lebensdauer des Rechners eine höhere Sicherheit.
Gerade bei Netzteilen mit sehr hoher Leistung ist daher multi rail praktisch Pflicht. Die 125A eines 1500W-Netzteil z.B. sind etwas, was man bei einem Kurzschluss ganz eindeutig nicht unkontrolliert durch seinen Rechner (oder was dann davon übrig bleibt) jagen will. Die Schwelle liegt daher bei so rund 600W, ab wo multi rail vorhanden sein sollte. Bei 550W und single rail z.B. können so gut 45A fließen. Das ist noch recht unkritisch und ist auch bei großen Netzteilen mit multi rail eine beliebte Grenze für die absicherung einzelner rails. Darüber sollte dann die OCP das Gerät abschalten. Bei kleineren Netzteilen kann teilweise sogar auf die OCP auf der 12V-Schiene verzichtet werden, da selbst die langsamer reagierende OPP früh genug greift, um kritische Ampere-Werte zu verhindern.
Die wohl am wenigsten wichtige Sicherung ist die OTP. Da Netzteile in sich geschlossene Systeme sind, also die Lüfter und andere Kühlelemente nicht zum Austausch gedacht sind, weiß ein Hersteller ziemlich genau, wie heiß sein Gerät wird. Je nach Einbau-Richtung im Gehäuse schützt die OTP daher praktisch eher nur davor, dass es durch die Umgebungsluft (eher unwahrscheinlich) oder die Luft aus dem Gehäuseinneren (schon eher) zu stark aufgeheizt wird. Hat der Hersteller gewissenhaft gearbeitet, dann arbeiten Elektronik und Kühlung aber ohnehin prinzipiell auf einem Niveau, das noch genug Spielraum für diese Temperaturschwankungen bietet, ohne in kritische Bereiche zu geraten. Die OTP ist also klar weniger kritisch. Dennoch haben die meisten hochwertigen Netzteile sie standardmäßig an Bord. Sollte sie mal fehlen, ist das allerdings auch kein Drama.
Wie viel Watt brauche ich?
Gemessen daran, wie oft vollkommen überdimensionierte Netzteile empfohlen bzw. verbaut werden, scheint die Frage nach der Wattleistung des Netzteils die wohl schwierigste Frage beim Netzteilkauf zu sein. Dabei ist das eigentlich eher nicht der Fall. Allgemein gilt zwar, lieber zu viel als zu wenig (sonst geht der Rechner aus), aber das Wissen darum, wie viel denn angemessen ist, fehlt oft. Netzteile, die manche "Spezialisten" schon als zu klein betrachten, können bei tatsächlich fachmännischer Betrachtung schon so groß sein, dass sogar noch Reserven vorhanden sind. Daher soll hier explizit mit einem sehr verbreiteten Mythos aufgeräumt werden:
- Man betreibt kein beabsichtigtes Oversizing: Auch wenn der Irrglaube mit verschiedenen Gründen immer wieder auftaucht, ist es Unsinn, ein Netzteil bewusst zu groß zu wählen. Der einzige gute Grund hierfür ist, eine Reserve für zukünftige Upgrades wie z.B. eine zweite Grafikkarte zu haben. Anstatt Aufpreise für unbenötigte zusätzliche Watt zu zahlen, sollte man hier eher in ein Modell mit weniger Watt aber einer höheren Qualität investieren. Davon hat man deutlich mehr, denn von zu viel Watt, hat man gar nichts, wenn man sie nicht nutzt. Etwas zu den Auswirkungen auf die Effizienz erfahrt ihr noch weiter unten im Bereich Effizienz. Auch Lastspitzen sind kein Grund für ein größeres Netzteil. Ein hochwertiges Netzteil, das für z.B. 600W kontinuierliche Ausgangsleistung konzipiert ist, hat genug Reserven, um auch starke Schwankungen nach oben noch mühelos auszugleichen. Es sollte nur nicht dauerhaft über 600W betrieben werden.
Wie viel Strom euer System wirklich benötigt, könnt ihr oft auf Webseiten in Erfahrung bringen, die Grafikkarten testen und dazu den Gesamtverbrauch des Testsystems zur Messung des Stromverbrauchs heranziehen. Das hat zwar für die Aussage über die Grafikkarte mitunter ein Paar Nachteile, gibt euch aber auch einen ganz guten Anhaltspunkt, wie viel so ein System mit dieser Karte verbraucht. Da die Grafikkarten mit Abstand am meisten zum Stromverbrauch beitragen, reicht für den Rest des Systems eine kleinere grobe Korrektur nach oben oder unten. Ein vernünftiges Maß an Spielraum könnt ihr dann noch darauf addieren und schon habt ihr eine vernünftige Netzteilgröße.
Ein großes Problem ist hier erneut, dass die Netzteilhersteller den Markt nicht gerade optimal bestücken. Unterhalb von 500W gibt es nur sehr sehr wenige wirklich hochwertige Geräte, die dann auch teuer sind. Viele Systeme brauchen aber eigentlich deutlich weniger. Systeme mit z.B. Nvidias GTX 950/960 Grafikkarte, kommen mit ~200 Watt (Gesamtsystem) aus und ein Netzteil mit 250W oder 300W würde an sich problemlos ausreichen. Office und Multimedia-Systeme, die nur eine IGP verwenden, kommen gar mit 100W oder weniger aus. Allerdings gibt es dafür keine sinnvollen Netzteile und hochwertige schon gar nicht.
Welche Features gibt es noch?
Effizienz
Wenn ihr die vom Netzteil in Richtung Komponenten abgegebenene Leistung durch die aus der Steckdose gezogene Leistung teilt, habt ihr den Wirkungsgrad des Netzteils. Mit 100 multipliziert habt ihr dann die gebräuchliche Effizienzangabe in Prozent. Die 80+-Zertifikate stellen dabei oberhalb der 80% einen Nachweis dar, der das Erreichen einer bestimmten Effizienzstufe bescheinigt. Die Werte, die ein Netzteil bei einer vorgegeben Auslastung erreichen muss, zeigt die folgende Tabelle. Zu beachten ist dabei, dass die Werte für das 230V-Netz gelten. Manche Netzteile haben ihr Zertifikat im 115V-Netz (USA) erhalten. Die Werte für dieses Netz sind leicht geringer. Seit Juli 2014 ist in Europa übrigens mindestens 80-Plus Bronze vorgeschrieben.
Wie man anhand der Tabelle sieht, ist die Effizienz bei 50% am höchsten angegeben. Was man an der Zertifizierung und leider auch in vielen Tests, die nur die selben Messpunkte verwenden jedoch nicht sieht, ist dass die zwischen 20% und 100% die Abweichungen vom 50%-Wert sehr lange ebenfalls sehr gering sind. Bei z.B. 35%, 65% oder auch 80% ist die Effizienz meist noch annähernd genau so gut wie bei 50% und fällt dann erst kurz vor 100% bzw. 20% stärker ab. Bei manchen guten Netzteilen sinkt die Effizienz auch weniger ab, sodass die Vorgabe für 50% erreicht wird, die andere Vorgaben aber sogar noch übertroffen. Ein 550W-Netzteil, das beispielsweise mit 400W belastet wird, liegt bei 72% Auslastung und damit in einem guten Effizienzbereich. Daher ist es auch nicht sinnvoll, ein Netzteil überdimensioniert zu wählen. Es gibt aber leider immer wieder mal jemanden, der für unsere 400-Beispiel-Watt ein 850W-Netzteil empfehlen würde, weil dann die Effizienz besser sei. Die Auslastung eines solchen Netzteils läge dann bei 47%. Der Unterschied in der Effizienz ist zwischen 47% und 72% aber sehr gering, insbesondere bei Netzteilen der selben Serie. Der größte Unterschied liegt im Anschaffungspreis, welcher unnötig hoch ist. Bei hochwertigen Netzteilen beträgt der Unterschied zwischen 550W und 850W gute 40-50€. Wie viel euch eine höhere Effizienz bei den Stromkosten bringt, zeigen später ein paar Rechenbeispiele.
Viele Käufer kaufen ein effizientes Netzteil, um Stromkosten zu sparen. Das tut man aber zu aller erst mit stromsparenden Komponenten. Um den Unterschied bei den Stromkosten deutlich zu machen, findet ihr hier ein paar Rechenbeispiele. Dabei wird von einem Stromspreis von 0,28€/kWh ausgegangen und eine Stunde Vollast pro Tag angesetzt, um einen Strompreis für ein Jahr zu berechnen. Für eine höhere Last/Tag können die Ergebnisse einfach entsprechend multipliziert werden. Die Last-Werte entsprechen grob einem Gaming-System mit Intel-CPU und sparsamer Grafikkarte (250W) und einem mit eher stromhungriger Grafikkarte (400W).
Um den Unterschied besonders deutlich zu machen, wurden zum Vergleich bewusst Bronze und Titanium gewählt. Wie man nun sieht, kann selbst das effizienteste Netzteil nicht annähernd so gut Strom sparen, wie ein sparsames System. Man sieht ebenfalls, dass bei dem 400W-System trotz 11% mehr Effizienz nur 5,50€ im Jahr als Ersparnis heraus kommen. Für den weiter oben genannten Vergleich von 550W und 850W würde das bedeuten, dass sich die 40-50€ Aufpreis erst in 8-10 Jahren ausgleichen (gespart hat man dann erst danach). Setzt man nun mal übertrieben 10 Stunden pro Tag an, dann hätte man diesen Punkt nach knapp einem Jahr erreicht. Allerdings liegt der Unterschied bei der Effizienz ja auch so viel geringer, dass der Effekt sich praktisch komplett wieder aufhebt. Einen Aufpreis von 40-50€ kann man also durch die Effizienzgewinne durch Überdimensionierung unter halbwegs normalen Bedingungen niemals in der Lebenszeit eines Netzteils ausgleichen. Selbst bei 24-Stunden-Dauerlast, bräuchte man knapp 2 Jahre. Bei 6 Stunden am Tag sind es schon wieder 8 Jahre und selbst wenn man dann noch ein Ultra-High-End-System mit 1200W-Verbrauch (4 Starke Grafikkarten+starke CPU+Übertaktung) verwenden würde, würde es wieder gute 2,5 Jahre dauern.
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